Profit und Spiritualität

Es lebte einmal ein Yogi…
Ach nein! Diese schöne Geschichte werde ich ganz zum Schluss erzählen.

Zunächst bin ich Ihnen eine Definition und Erläuterung des Themas schuldig. Gewinn und Verlust sind relativ. Um über Profit und Spirtualität zu sprechen, brauchen wir ein klares Verständnis von den beiden Begriffen. Profit bedeutet ein Gewinn, der höher ist, als die Investition. Spiritualität bedeutet eine Beschäftigung im Bereich des höheren Bewusstseins.

Wenn die beiden Begriffe getrennt genannt werden, dann sind sie nicht schwer zu verstehen. Profit bedeutet in der Tat ein Gewinn, zumeist im materiellen Bereich angewandt. Und Spiritualität strebt an, den Geist auf die absolute Ebene zu erheben, die über der materiellen Dualität existiert. Spritualität bewegt sich auf der absoluten Ebene. Dagegen kann man den Begriff ‚Profit‘ in beiden Bereichen, nämlich im materiellen wie auch im spirituellen benützen. Jetzt kommen wir zu der Frage, wie können Profit und Spiritualität miteinander koexistieren, ohne daß das eine das andere zum Scheitern bringt?

 

In den vedischen Schriften steht ganz eindeutig, daß dies nicht nur möglich, sondern dass beides sogar nicht getrennt werden kann. Nach exakter Analyse der menschlichen Natur, sind die Veden zu der Schlußfolgerung gelangt, dass die Menschen immer nach Freude suchen. Freude ist in verschiedenenen Graden durch vier ‚Purusa-arthas‘ zu erreichen: ‚Purusa‘  bedeutet das ‚menschliche Wesen‘ und ‚Artha‘ bedeutet ‚Wert‘ oder ‚etwas Bedeutungsvolles‘.

1.)   Kama (Sinnesgenuss),
2.)   Artha (materieller Wohlstand),
3.)   Dharma (Handlungen nach den Anweisungen der Schriften, die Frieden geben
und  von Angst befreien) und
4.)   Moksha (endgültige Befreiung vom wiederholten Zyklus von Geburt und Tod)

Die vier unterschiedlichen Ziele richten sich nach den verschiedenen Bewußtseins-Ebenen und vielfältigen Neigungen der Menschen. Die Vedischen Schriften verurteilen den Wunsch des Menschen nach Freude zu suchen nicht, sondern akzeptieren und fördern seine zahlreichen Anstrengungen. Deswegen werden die Veden auch ‚kalpavrksa‘ (Wunschbaum) genannt.

 

In den Veden geht es allerdings hauptsächlich darum, dass unser menschliches Leben – die Geburt in einem menschlichen Körper ist sehr selten und äußerst wertvoll – für den richtigen Zweck genutzt wird. Was ist der richtige Zweck? Unser allmählicher Aufstieg vom schlummernden Bewusstsein zum erweckten Bewusstsein. Hier können wir sehen, daß der Mensch durch geistigen Fortschritt spirituell profitieren kann. Menschen können sehr leicht inspiriert werden, etwas zu unternehmen, nämlich dann wenn ein Profit zu gewinnen ist.

 

Schrittweiser, leicht nachvollziehbarer Fortschritt auf dem Weg zur spirituellen Erleuchtung wird ‚Profit‘ im spirituellen Bereich genannt. Und die Investition dafür ist ‚Sadhana‘ (regelmäßige spirituelle Praxis). Der Vorgang um die vier obengenannten Ziele zu erreichen, ist besonders in den Veden im Detail beschrieben, und wenn man ihn richtig befolgt, erreicht man diese Ziele, bzw. die verschiedenen Stufen zur sich steigernden Freude in unserem Innern.

 

Unsere Investition liegt in diesem Vorgang, bei dem wir mit großer Ernsthaftigkeit unsere Zeit und Energie einsetzen müssen. Und der Gewinn, den wir erlangen, wenn wir diesen Vorgang befolgen, ist viel höher als unsere Investition. Wenn das menschliche Bewusstsein zu der Erkenntnis gelangt ist, dass zeitweiliger materieller Profit uns weder konstanten Genuß noch anhaltende Freude bieten kann, dann macht er sich auf die Suche nach permanenter Freude.

 

Materielle Freude, die von materiellen Genuß herrührt, hat einen Anfang und ein Ende und deshalb muss man immer weiter suchen, um stetig neue Ereignisse und Dinge für unseren Genuss zu finden. Die Suche nach absoluter Freude beginnt man nur dann, wenn man erkannt hat, dass materielle Freude wie eine vorgaukelnde Fata-morgana ist. Den Durst nach echter Freude kann man damit nicht löschen. Die absolute Freude jedoch, die dauerhaft ist, kann man nur in der Seele finden, und durch Selbstverwirklichung gewinnen.

 

Das Dasein in Ewigkeit, ein absolutes Wissen und eine sich immer vermehrende Freude sind alles Eigenschaften, die in uns (in der Seele) wohnhaft sind. Beweis dafür ist: Niemand möchte sterben, weil unsere Seele von ewiger Natur ist. Niemand möchte in Unwissenheit bleiben, da er dann in Täuschung und Verzweiflung gerät. Niemand möchte leiden und ganz ohne jegliche Freude leben.

 

Zu dieser Erkenntnis gelangt man,  wenn man sich auf die Reise nach innen begibt. Dabei begegnet man seinem wahren Selbst, unserer Seele. Somit enden Leid und Angst und man erlangt anhaltenden Frieden. Die Bibel sagt: „Was hülfe es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne und nähme doch Schaden an seiner Seele?“

 

Hier  nun – wie versprochen – die erläuternde Geschichte dazu:

Es lebte einmal ein Yogi, der beim Studieren vieler Schriften herausfand, dass es einen Glücksstein, genannt der ‚Stein des Weisen‘, gäbe, der das Wertvollste in der ganzen Welt sei, und der nach Berührung alle Dinge in Gold umwandeln könne. Er zog viele Jahre durch viele Länder auf der Suche nach diesem Stein.

 

Als er alt geworden war, kam er auf den Rat eines Gelehrten nach Vrindavana, in der Nähe von Delhi, zum Haus des großen Weisen, Sanatana Goswami. Dieser lebte in einer äußerst bescheidenen Hütte am Ufer des Jamunaflusses. Der Yogi fragte ihn nach dem Stein. Daraufhin deutete Sanatana Goswami mit dem Finger in eine Ecke seiner Hütte.

 

Tatsächlich fand er inmitten von Abfällen endlich den Stein. Berauscht vor Freude rannte er wie ein Verrückter aus der Hütte. Doch nach einiger Zeit hielt er plötzlich inne. Ein großer Zweifel überkam ihn: Wieso lag ein solch wertvoller Schatz unbeachtet irgendwo mitten im Abfall einer ärmlichen Hütte dieses großen Weisen?

Er hatte für die Suche nach dem ‚Stein des Weisen‘ sein ganzes Leben hingegeben. Bedeutete das, dass der Weise Sanatana Goswami etwas noch Wertvolleres besitzen sollte? Sofort rannte er wieder zurück und wandte sich mit der Frage an ihn: „Welches ist der Schatz, den Du besitzt, dass Du diesen wertvollen Stein, mit solch einer Nachlässigkeit behandelst“?  Sanatana Goswami  antwortete: „Um das zu verstehen und um meinen Schatz kennenzulernen, musst Du erst diesen Stein in den Fluss werfen. Um etwas Höheres zu  gewinnen, muss man das Niedrigere aufgeben. Um absolute Freude zu gewinnen, muss man den noch so wertwollen materiellen Schatz auf- geben“.

 

Die Erläuterung dazu:

Man muss solche Gleichnisse nur als Denkimpulse und nicht wortwörtlich nehmen. Der wichtige Punkt ist, dass man, um etwas Auserlesenes zu gewinnen, sich dafür qualifizieren muss, was  heisst, einen höheren Geschmack zu entwickeln.

Das bedeutet im praktischen Leben nicht, dass man alles Materielle ablehnen soll, sondern dass man es sinnvoll einsetzen soll, für ein bestimmtes ideales Ziel, z.B., um auf diese Weise einen höheren Geschmack zu entwickeln und zu kultivieren. Das ist nur möglich, wenn man sich von der materiellen Bedingtheit  und Anhaftung an die Materie allmählich löst.

 

Hier gilt das Prinzip:

Das menschliche Bewusstsein ist ausgestattet mit der Fähigkeit, sich Wünsche zu erfüllen und durch Vernunft zu unterscheiden. Aber die Materie besitzt kein Bewusstsein. Der Zustand unserer materiellen Bedingtheit widerspricht dieser Wahrheit. Um von diesem, unserem wertvollen menschlichen Leben tatsächlich zu profitieren – und das in eigener voller Freiheit – sollte man sich von der Knechtschaft der materiellen Anhaftung befreien, und  das Bewusstsein mit universaler Freude verknüpfen.

 

Gedanken:

Zeit ist ewig. Zeit ist die Representantin des Todes. Kann die Zeit in Stücke geteilt werden? Die Vergangenheit ist nur ein Gedanke, der existiert haben mag. Die Zukunft ist ein Gedanke, der zur Existenz gelangen könnte. Gegenwart ist die Zeit, die ewig dahin fliesst.

 

Die Wahrnehmung der Realität bedeutet ‚ich existiere‘. Viele Philosophen debattieren darüber, dass die phenomenale Welt – so wie sie ist – ein Traum, eine Lüge sei. Andere behaupten, dass die Welt wirklich sei, aber zeitweilig. Geht mich die Welt etwas an, wenn ich nicht existiere, um  sie zu erleben? Ich bin es, der die Welt und meine Erfahrungen darin mit Schmerz, Furcht,  Freude und einer Mischung von all diesen anmale.  Ich kann sie auch mit Helligkeit und Freude ausmalen.